Rückblick zum Ifgene Workshop „Innere Würde und Integrität von Pflanzen im Kontext der Gentechnik", welcher vom 9 – 11 Mai am Goetheanum, Dornach in der Schweiz, stattfand.

Etwa 40 Teilnehmer verschiedenster Berufe wie Juristen, Moralphilosophen, Molekularbiologen, Vertreter einer „ganzheitlichen Biologie", Pflanzenzüchter, Politikwissenschaftler, Umwelt- und Eine-Welt-Aktivisten, des Gartenbaus oder der Lebensmittelherstellung trafen sich für zwei Tage im Mai um an diesem Thema zu arbeiten. Die behandelten Inhalte und Impressionen sollen im folgenden anhand einiger wichtiger Stichpunkte zusammengefasst werden.

1. Während des Multidisziplinären Workshops wurde deutlich, dass das Konzept der „Inneren Würde und Integrität der Pflanzen" von den verschiedensten Seiten unterschiedlich verwendet wurde. Die Neuheit dieses Konzeptes im öffentlichen Bewusstsein zeigt sich schon in der Verfassung der Schweiz mit seinen drei offiziellen Sprachen anhand des Begriffs „Würde der Lebewesen", welcher in den verschiedenen Sprachen wie auch der authorisierten englischen Übersetzung unterschiedliche Nuancen annimmt.

2. Während den Beobachtungen und Fakten der quantitativen Wissenschaft durch eindeutig definierte Kriterien unter Ausschluss der Person des Experimentators (z. B. der Höhe der Pflanzen, Trockengewicht, etc.) eine „objektive Wahrheit" zuerkannt wird, erfordert das Konzept einer „Inneren Würde und Integrität von Pflanzen" den Einschluss der persönlichen Wahrnehmung. Pflanzen sind mehr als die Summe einer Vielzahl getrennter Charakteristika. So beruht dieses Konzept in hohem Maße sowohl auf unserem individuellen Bild der Pflanze wie auch des zugrundeliegenden Verhältnisses zwischen Mensch und Natur. Diese Tatsache kann jedoch nicht so verstanden werden, dass Pflanzen subjektiv Qualitäten von Würde und Integrität zugebilligt werden. Die Inhalte des Workshops zeigen wie ohne Zweifel in den Pflanzen beheimatete Würde und Integrität als Qualitäten durch den Menschen herausgearbeitet werden können. Wir erkennen diese Würde, wie wir sie auch Pflanzen verleihen.

3. Es ist relativ einfach, höheren Tieren aufgrund der Ähnlichkeit zum Menschen einen „ethischen Status" zuzuerkennen (zoozentrischer Ansatz). Wie wir empfinden sie Schmerzen oder zeigen eine vergleichbare neuronale Organisation. Den Pflanzen einen ähnlich gesicherten ethischen Status zuzuerkennen ist nur möglich, wenn wir ihre Verschiedenheit anerkennen (biozentrischer Ansatz). Es bleibt eine offene Frage, ob diese Würdigung einer Verschiedenheit oder Autonomie der Pflanzen dem Menschen unzumutbar erscheint und damit ihr Wesen in einer ewigen „black box" verschlossen bleibt oder ob es der menschlichen Erkenntnis zugänglich erscheint. Augenscheinlich benötigt die „Innere Würde und Integrität von Pflanzen" ein vertieftes und bewussteres Verhältnis zu den Pflanzen.

4. Im Gegensatz zu Tieren, welche uns als Individualität gegenübertreten können, spiegeln Pflanzen deutlich stärker ihre Umweltbedingungen und -beziehungen (ökozentrischer Ansatz). Jeder Versuch, Pflanzen einen ethischen Status zuzuerkennen, muss dies als „äußere Qualitäten" miteinbeziehen. Als Konsequenz muss eine gewissenhafte Beschreibung der „Innere Würde und Integrität von Pflanzen" diese gegenseitige Abhängigkeit respektieren. Die praktische Züchtung und der Anbau hat diese Gegenseitigkeit immer beachtet. Gentechnisch veränderte Pflanzen erfordern zur Kultivierung standardisierte Bedingungen, welche im globalen Maßstab anerkannt und angewendet werden. Andererseits erfordert die Kultivierung von Nahrungspflanzen in Anbausystemen, welche ökologische, geographische und kulturelle Verschiedenheiten berücksichtigen, ein Spektrum von an die örtlichen Gegebenheiten angepassten Varietäten. Als Konsequenz ist zu befürchten, dass jede Einschränkung der Diversität der Nahrungspflanzen wie auch die Verminderung der Verschiedenheit der Anbaumethoden die innere Würde und Integrität beeinträchtigt. Pflanzen ohne Kontext sind mentale Abstraktionen.

5. Die Bewertung der „Inneren Würde und Integrität der Pflanze" muss in einer gewissen Weise einen Gewichtungsprozess einschließen. Es wäre unangebracht, Würde und Integrität von Menschen, Tieren oder Pflanzen den gleichen Stellenwert zuzuordnen. Es bestehen jedoch gute Gründe zu fragen, an welchem Punkt des legislativen Prozesses solche Unterscheidungen stattfinden. Die Einführung solcher Konzepte in das juristische Netzwerk und Gesetze ist zur Zeit sehr begrenzt. Wo wie in der Schweiz Versuche unternommen wurden, die innere Würde und Integrität in Verfassungen und in Gesetze einzuführen, blieben die Auswirkungen obskur und ineffektiv.

6. Die Anwendung der Züchtung und Produktion sollte das Kriterium der Nachhaltigkeit unter Nutzung natürlicher vegetativer Prozesse und Wachstumsbedingungen zu einem maßgeblichen Anteil erfüllen. Während des Workshops wurden Beispiele gezeigt, wo dies unter bedeutender Verbesserung der ökonomischen, sozialen und persönlichen Verhältnisse des Erzeugers selbst durchgeführt wurde. Die Gewährleistung der inneren Würde und Integrität der Pflanzen bewirkt eine spürbare Erhöhung des Wertes des kulturellen Umkreises. Dies unterstützt philosophische Überlegungen, dass diese Konzepte einer starken und praxisbezogenen Verbindung von Mensch und Natur entstammen. Als Konsequenz sollten Kommissionen, Arbeitsgruppen oder beratende Gremien, die sich mit dem Konzept der inneren Würde und Integrität der Pflanzen befassen, grundsätzlich interdisziplinär und breit zusammengesetzt sein.

7. Es bestand generelles Einverständnis, dass ein Paradigma zum Verständnis von Pflanzen, welches ausschließlich auf Erkenntnissen der Molekularbiologie basiert, unangemessen ist, das Wesen der Inneren Würde und Integrität der Pflanzen zu erkennen und festzustellen, wo dieses möglicherweise verletzt wird. Deshalb sind alternative Paradigmen nötig. Der von einigen Vortragenden dargestellte ganzheitliche Ansatz ist ein gutes Beispiel um zu zeigen, das ethische Reflektionen eine spirituelle Grundlage erfordern. Es konnte gezeigt werden, dass diese Grundlage einem modernen Bewusstsein vermittelbar ist und angenommen werden kann. Unvoreingenommene Betrachtungen von Pflanzen zusammen mit sorgfältiger Berücksichtigung der persönlichen Intentionen zeigen räumliche und zeitliche Zusammenhänge, welche rein sensorische Qualitäten übersteigen und aus diesem Grunde für Entscheidungsprozesse Bedeutung besitzen.

8. Eine sorgfältige Untersuchung der technischen Anläufe, welche bei der Erzeugung gentechnisch modifizierter Pflanzen verwendet werden, zeigt lebhaft die Notwendigkeit, Gesichtspunkte zur Bewertung der „Inneren Würde und Integrität von Pflanzen" im Kontext der heutigen gentechnischen Experimente zu entwickeln. Der Versuch, die Konzepte, Intentionen und Arbeitshypothesen oder mögliche Chancen und Risiken zu verstehen, wird dringend erforderlich, wenn wir die heutige experimentelle Situation und die Laborbedingungen von Pflanzen verstehen wollen. Komplementäre, unvoreingenommene Betrachtungen der Entwicklung und der vegetativen Prozesse sind eine willkommene Erweiterung der Methoden, um die Innere Würde und Integrität der Pflanzen zu verstehen.

Johannes Wirz und David Heaf

Übersetzung:
Manfred Schleyer
Ifgene Deutschland
Manfred Schleyer
Hummels 3
87764 Legau
Email: MSchleyer@aol.com

Bestellungsinformationen zum 'Intrinsic Value and Integrity of Plants in the Context of Genetic Engineering'

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